24.07.2020

Es verschafft mir weder Trost noch Beruhigung zu wissen, dass ich nicht die einzige bin, die am liebsten jedem einzelnen Deppen, der gedankenlos, willenlos, widerstandslos in dem dreckigen Strom mitschwimmt, die Scheuklappen von den Augen reißen, die Stöpsel aus dem Ohren ziehen würde, damit sie aufgeweckt und herausgerissen werden aus diesen lethargischen, eingelullten, bedürfnisbefriedigten Lebenstagen, die sich aneinander reihen wie ungeordnete Paare schlecht gewaschener Socken an einer schlaffen Leine. Vergeudete Tage wertvollen Lebens.

 

Jeder für sich muss und kann es nur besser machen, jeden Tag, jede Minute, mit jeder einzelnen kleinen Entscheidung, die es zu Hunderten an jedem Tag zu fällen gilt.

 

Auch wenn man manchmal schier verzweifelt an der Tatsache, dass man bei allem guten Willen und Wollen abhängig ist von den Entscheidungen anderer Menschen in einem System, dass längst den eigentlichen Sinn des Lebens aus den Augen verloren hat.

 

Traurig, dass manchmal nur Egoismus noch hilft bei der Schadensbegrenzung, das einzige Mittel, sich selbst zu schützen vor der Willkür und Gedankenlosigkeit mancher Mitmenschen. Das ist traurig.

 

Mir fällt spontan Roger Willemsen ein, der mir posthum sicher gestattet, ihn hier zu zitieren.
Die Zeilen begegneten mir in Willigrad, an eine Wand geschrieben direkt neben dem "Frühlingsspaziergang von Johann Wolfgang v. Goethe:

Wer wir waren – Roger Willemsen

 

 

 

Wir waren wie die Landschaft, im Rückzug.

 

Wir hatten unserem Verschwinden nichts entgegenzusetzen,

 

rieben uns auf im engen Horizont einer Arbeit,

 

die ein Unternehmen stärken,  erfolgreicher, effektiver machen sollte,

 

aber nicht Lebensfragen beantworten, das Überleben sichern helfen würde.

 

Kaum blickten wir in die Vergangenheit, sahen wir nichts als Fortschritt.

 

Kaum blickten wir in die Zukunft, sahen wir nichts als Niedergang.

 

Wir waren jene die wussten, aber nicht verstanden,

 

die begriffen, aber sich nicht vergegenwärtigen konnten,

 

voller Informationen, aber ohne Erkenntnis,

 

randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung.

 

So gingen wir, nicht aufgehalten von uns selbst.